kooperation_in_der_wirtschaft

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ten_siethoff_-_kooperation_in_der_wirtschaft.pdf

H. J. TEN SIETIIOFF, BWI Uni Bern, NPI Zeist NL* Kooperation in der Wirtschaft 7, ,9 2425 Symptome des Zeitgeistes unserer Weit Seit Jahren in vielen Ländern der Welt als Betriebsberater tätig, sehe ich unter dem Druck der Realitäten des heutigen Wirtschaftslebens deutlich diese Probleme: ciD Der aufsehenerregende Bericht des Club of Rom und die Rohstoffkrisen demonstrieren deutlich, daß die Welt mindestens auf wirtschaftlichem Gebiet eine Einheit ist. Nationale Problemlösungen haben internationale Rückwirkungen. (?) Obwohl sich die Kritik an staatskapitalistischen Wirtschaftssystemen kaum verändert hat, nimmt die Tendenz auch bei uns zu, daß Staat und Gewerkschaften zunehmend wirtschaftliche Entscheidungen beeinflussen. Daß damit die Probleme der Marktwirtschaft elegant gelöst würden, kann kaum behauptet werden. Die Kapital konzentration bedroht die Kleinunternehmen. Diese werden aus dem Markt gedrückt. In einem ruinösen Wettbewerb haben sie naturgemäß weniger Ausdauer. rii) Die Gewinnmargen werden kleiner. Die Preise werden durch den Konkurrenzkampf derart gedrückt, daß sich viele Unternehmer vor die Wahl gestellt sehen, entweder die Löhne drastisch zu senken oder aufzugeben oder sich mit Konkurrenten zusammenzuschließen. Sie müssen versuchen, auf den Kunden wenigstens soviel Druck beziehungsweise Gegendruck auszuüben, daß die eigene Existenz nicht gefährdet ist. (i) Das grenzenlose Vertrauen in die Errungenschaften von Technik und Industrie ist gebrochen. Es zeichnen sich (vorläufig zwar in geringem Umfang und mit beschränkter Wirkung) Tendenzen der Verweigerung ab. Der «Reaktionsweg» von Bedürfnis und Bedürfnisbefriedigung (Konsum) verlängert sich und beginnt sich der Beeinflussung zu entziehen. (3) n e A u c h i n d e r R e z e s s i o n i s t e s s c h w i e - rig, gute Mitarbeiter zu bekommen: Qualifizierte Leute finden immer eine gute Arbeit. Immer stärker taucht die Frage nach der gerechten Entlöhnung auf. Die Art und Weise, wie heute Gehälter festgelegt werden, wird als fragwürdig empfunden. Vieles i n unserem heutigen W i r t - schaftsleben ist fragwürdig geworden: man sucht nach sinnvollen ( = menschenwürdigen) Lösungen. Kooperation und Assoziation Unter Kooperation verstehe ich Zusammenarbeit • auf den verschiedensten Gebieten • auf völlig freiwilliger Basis • von sonst gänzlich autonomen Firmen Kooperation soll eine richtige Alternative zur Fusion darstellen. Was spricht für Kooperation (anstelle von Alleingang oder Fusion)? (II: Die Erfahrung lehrt, daß sich Fusionen wirtschaftlich kaum lohnen. Man legt zwar das Kapital zusammen und hat dadurch eine größere Macht. Auf der anderen Seite steigen aber die Verluste durch steigende Unwirtschaftlichkeit, d i e durch größere soziale und organisatorische Probleme entsteht. Die dadurch entstehenden Ve r l u s t e schmälern oder übertreffen den wirtschaftlichen Gewinn. (i) Die Groi3konzerne sind schon seit vieleu Jahren damit beschäftigt, ihre Unternehmungen in kleinere, relativ autonome Einheiten aufzuteilen. Die Mammutbetriebe lassen sich nicht mehr führen. Die Klein- und Mittelbetriebe werden i n Zukunft nur noch überleben können, wenn sie auf freiwilliger Basis das tun, was die Großunternehmen unter Druck anstreben, um überleben zu können. (ä) Die Gemeinschaft ist stärker als der einzelne. Bisher war nur von Kooperation (betrieblicher Zusammenarbeit) d i e Rede. 1 • Wenn wir berücksichtigen, daß jeder wirtschaftliche Prozeß seinen Sinn erst durch den Konsum erhält, wird das Blickfeld plötzlich erweitert: • Es gibt die Möglichkeit des assoziativen Zusammenwirkens d e r drei Partner oder Gegenspieler jedes wirtschaftlichen Prozesses: • Produktion, Handel, Konsum. Die verschiedenen Ebenen der Kooperation Es gibt verschiedene Gründe, weshalb viele kleinere Betriebe vor einer Kooperation zurückschrecken: • Auf einen Grund werde ich im Schlußabschnitt unter «Überholte Denkmodelle » eingehen. • Ein anderer Grund ist das scheinbare, aber irreführende «Vorbild» der Zusammenarbeit innerhalb eines Konzerns. Irreführend deshalb, weil Kooperation nie total sein, nie alle Funktionen der Unternehmung umfassen muß. Was heißt das: konkret? Welches sind die Funktionen? • «Der Sinn und die Zielsetzung eines Unternehmens als Struktur innerhalb des Wirtschaftslebens i s t das Erbringen einer wirtschaftlichen Leistung: • Sie soll eine Antwort geben auf ein erkanntes Bedürfnis zu einem Preis, den der Abnehmer zu zahlen bereit ist.» Dies schreibt B. C. J. LIEVEGOED auf S. 66 seines Buches «Organisationen im Wandel» (Verlag Paul Haupt, Bern 1974). Und weiter: • «Von hier aus rückwärts schreitend ergibt sich die Frage, welche Wertschöpfungsprozesse notwendig sind, um ein Bedürfnis befriedigen zu können. • Danach kommt die Frage, welche Mittel nötig sind, um die Prozesse ablaufen lassen und den Prozeßfluß steuern zu können.» Dieses erste Funktionspaar ist durch zwei weitere zu vervollständigen: • Der Markt (extern) unddie Organisation der Prozesse (intern) machen eine bewußte Pflege der Beziehungen umfassend notwendig. Mit diesen ersten drei Funktionen ist eine Menge Information verbunden: • Die Informationsverarbeitung ist damit die vierte und letzte Funktion. Damit sind die vier Ebenen angedeutet, auf denen sich Köoperation grundsätzlich abspielen kann. Ich möchte diesen Gedanken im folgenden etwas vertiefen und anhand von Beispielen illustrieren. I. Beziehungen herstellen Die wichtigste externe Beziehung ist das Marketing, der Kontakt zum Kunden, zum Markt. Dabei ist nicht nur an den Verkauf, sondern auch an den Einkauf zu denken. Neben diese wirtschaftlichen Umweltbeziehungen haben jene zu Gemeinde, Gewerkschaften usw. zu treten. Die internen Bezie -hungen betreffen das Verhältnis zu den Mitarbeitern und zwischen den Mitarbeitern untereinander. Beispiele für Kooperation auf der Ebene der Beziehungspflege wären etwa folgende: • Gemeinsamer Einkauf; und zwar nicht nur auf dein Gebiet der wichtigsten Rohstoffe (was nur brancheninterne Kooperation erlauben würde), sondern auch auf anderen Gebieten (zum Beispiel Wartungs- und Putzmaterial, Büromaterial usw). • Gemeinsamer Verkauf. Es ergeben sich überall Kooperationsmöglichkeiten, wo derselbe Markt versorgt wird. Insbesondere der Export legt eine Kooperation, vor allem für kleinere Betriebe, nahe. • Personalrekrutierung a u f Kaderstufe wird häufig an spezialisierte Institutionen delegiert, auch hier kann Zusammenarbeit sinnvoll sein. • Jede Form von Erfahrungsaustausch mit Geschäftsleitungen der Region, mit Branchenvertretern, bestimmten Funktionsträgern (Personalcher), Behördenund Gewerkschaftsvertretern sind lokkere Formen d e r Kooperation, d i e nicht unmittelbar produktorientiert sind, längerfristig aber positive Auswirkungen haben. 2. Informationsfluß steuern Es wurde einmal gesagt, daß KARL MARX heute sein Werk «Die Information» (und nicht mehr «Das Kapital») nennen würde. Information muß in einer Unternehmung in verschiedenen Formen und zu unterschiedlichen Zeitpunkten verfügbar sein, damit die verschiedenen Prozesse störungsfrei verlaufen können. Für eine Kooperation kommen namentlich die «Informationsproduktion » (Forschung) und die «Informationsvermittlung » (Ausbildung) i n Frage. t . • Gemeinsame Forschung kann sich auf Grundlagenwissen oder Produktentwicklung beziehen. Auch Marktforschung kann durch ein gemeinsames Organ ausgeführt werden. • Viele Unternehmen versorgen sich heute nicht mehr a u f dem (K Ausbildungsmarkt », sondern bauen e i n eigenes Kurswesen auf. Eine Alternative dazu ist der gemeinsame Aufbau eines Ausbildungswesens (gemeinsame Organisation, Austausch von Ausbildern). I m Sinne der Ausbildung wäre auch eine zwischenbetriebliche Karriereplanung oder «Job Rotation». • Eine besondere Form der Informationsvermittlung ist die gegenseitige oder gemeinsame Beratung. Durch längerfristige Verträge können gerade hier Kosten gesenkt werden. • Der tägliche Informationsfluß w i r d heute vielerorts elektronisch bewältigt. Computerproduzenten preisen zwar die für jedes Bedürfnis angepaßte Problemlösung a n . Trotzdem begegnet man immer wieder Investitionsruinen, die durch zwischenbetriebliche Lösungen oft hätten vermieden werden können. 3. Prozeßbeherrschung Die Beherrschung des innerbetrieblichen Arbeitsablaufs ist eine der wichtigsten Unternehmeraufgaben, denn es geht dabei um wichtige Ziele, zum Beispiel Einhaltung von Lieferfristen und Sicherung gleichbleibender Qualität. Dort, wo der Unternehmer ohnehin mit vielen Unterlieferanten zusammenarbeitet, wäre es sinnvoll, den Prozeß nicht allein auf den Kampf um Preise und Liefertermine zu beschränken, sondern die Beziehungen unternehmerisch-kooperativ zu gestalten: Warum sollen nicht alle Unternehmer, die als Haupt- und Unterlieferanten am gleichen Produkt arbeiten, regelmäßig zusammenkommen, um einander zu informieren und allfällige Schwierigkeiten und Probleme zu beheben? In Firmen der gleichen Branche könnte man sich gegenseitig helfen mit einem Erfahrungsaustausch über die Art und Weise, wie man den Arbeitsablauf steuert und überwacht. Warum sollte man nicht voneinander lernen dürfen'? Man könnte noch einen Schritt weitergehen: Warum sollte man nicht gemeinsam nach neuen Organisationsformen suchen'? D e r Berater von außerhalb bringt doch auch immer seine Erfahrungen aus anderen Unternehmen mit; weshalb sollen Unternehmen nicht auch «vom Lehrgeld» anderer (also von ihren Erfahrungen) profitieren. 4. Mittelverwaltung Die Mittelverwaltung i m Bereich d e r menschlichen Arbeitsleistung scheint nur in hochkonjunkturellen Zeiten ein unternehmerisches Problem z u sein. Wenn man aber davon ausgeht, daß die Verantwortung der Unternehmung nicht an ihren Toren haltmacht, so muß man sich gerade in der Zeit der unsicheren Arbeitsplätze vermehrt dafür einsetzen, daß Gesundschrumpfungen und saisonale Schwankungen nicht zu Lasten der Arbeitnehmer gehen. Vielleicht ist es möglich, über das Medium der grneinsamen und vielseitigen Ausbildung, durch gegenseitige Hilfe und Absprachen sozial brisante Entwicklungen aufzufangen und auszugleichen. Wenn dies gelingt, so ist damit ein erheblicher Beitrag zur regionalen Stabilisierung der Arbeitsplätze geleistet. Über Erfahrungsaustausch und gegenseitige Wissensvermittlung (regional und i n der Branche) wurde schon gesprochen. Überholte Denkmodelle Soeben wurde gezeigt, daß ein Umdenken (beziehungsweise eine nach Funktionen differenzierte Betrachtungsweise) notwendig ist, wenn eine gezielte partielle Kooperation (im Gegensatz zu Fusion) realisiert werden soll. Nun geht es noch einmal um Denkweisen, um simplirizierte und damit mehr oder weniger falsche Denkmodelle, von denen unsere heutige Gesellschaft durchdrungen ist; sie lassen uns an praktikablen sozialen Lösungen vorbeisehen. Welches sind diese zu Schlagworten verfälschten Denkmodelle? Der Darwinismus d e r uns suggeriert, daß das Leben nur ein Kampf um das Dasein sein kann, und vergißt, daß sogar in der Tierwelt die Tiere einer Gattung sich gegenseitig unterstützen und bereit sind, die Schwächeren mitzutragen. Einseitiger Freudianismus, der uns suggeriert, daß sich die menschlichen Seelenfunktionen nur aus zwei Trieben herausentwickeln: dem Sexual- und dem Zerstörungstrieb. Angebl ich deshalb seien alle «menschlichen Handlungen» entweder sexorientiert oder zerstörerisch. Wenn man lange genug glaubt, daß etwas so und nicht anders ist, wird die Wirklichkeit auch entsprechend, da wir Menschen sie selber gestalten. Der Taylorismus d e r uns suggeriert, daß der Mensch mit der Maschine vergleichbar ist. Deshalb sei seine Arbeitsleistung «wissenschaftlich» zu berechnen und zu gestalten. Bei der reinen Handarbeit i s t dies mindestens eine Teilwahrheit. Doch eine Maschine muß abgeschrieben werden; dem Menschen aber muß man «zuschreiben »: er entwickelt sich. 2. Der Fayolisinus d e r uns suggeriert, daß eine Organisation nur von d u z Person wirklich geführt werden kann und daß man nur durch den Aufbau einer bürokratischen Hierarchie mit ihrer extremen Aufteilung von Aufgaben und Kompetenzen eine effi - zieme Organisation aufbauen kann. Es hat allerdings noch nie in der Geschichte eine wirklich effiziente Bürokratie gegeben. Der Marxismus d e r von seinem materialistischen Standpunkt aus den Primat der wirtschaftlichen gegenüber der geistigen Leistung verkündet u n d Veränderungen entsprechend einseitig i m Materiellen sucht. Dabei ist allein schon die weite Verbreitung «materialistischer Ideen» nicht so sehr den ökonomischen Voraussetzungen, sondern einem beispiellosen geistigen Einsatz von vielen «Idealisten» zuzuschreiben, die konkretes •Leben durch abstrakte Theorien ersetzen wollen. Diese Theorien sind oft faszinierende Teil- und Halbwahrheiten. Für eine soziale Weiterentwicklung müssen wir uns in einem neuen Denken üben und neue Wege beschreiten: • Statt «Kampf ums Dasein» die Kooperation und Assoziation. • Statt «Sexual- und Zerstörungstrieb» die Entwicklung der menschlichen Seele im Zusammenspiel von Erfahrungsaustausch, Ideenkonfrontation und Auseinandersetzungen mit der Umwelt. • Statt «Mensch—Maschine» der Mensch als schöpferisches Element im Betrieb, der herausgefordert werden kann, sein Bestes zu geben, sofern er wirklich verantwortlich mitwirken kann. • Statt «Bürokratie und Hierarchie» neue Formen der Organisationsgestaltung. • Statt einer «vorausbestimmten gesellschaftlichen Veränderung im Sinne der Klassenkampftheorie» eine nach gesellschaftlichen Teilbereichen differenzierte Entwicklung in Kultur, Staat und Wirtschaft. In dieser Zeitschrift «Technische Rundschau » werden diese «Entwicklungen des Bewußtseins in den verschiedenen gesellschaftlichen Bereichen» aufgegriffen, und zwar ganz konkret. Literatur Entwicklungsphasen des Lebens (TR Nr. 27/1978) Entwickiungsphasen einer Lebensgemeinschaft (TR Nr.41/1978) Geist und Wille (I'R Nr. 24/1979) Line Organisation für die Zukunft entwickeln (TR Nr. 33/1979) Die Zukunft hat begonnen (TR Nr. 37/1979) Geist und Wille (TR Nr. 3/1980) Gesprächsführung; eine Kunst (TR Nr. 17/1980) (iruppenarbeit. praktische Anleitung (TR Nr. 20/1980)

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