gruppendynamik

181 Back to list

Copyright © Association for Social Development (ASD) 2013 All Rights Reserved. No part of this website may be reproduced or published without the express consent of Association for Social Development (ASD). Please also read http://creativecommons.org/licenses/by/3.0/

Original format:

ten_siethoff_-_gruppendynamik.pdf

Hellmuth J. ten Siethoff Gruppendynamik Die Gruppendynamik ist so alt wie die Menschheit. Ihre Gesetze Historische Vorgelten seit dem Sündenfall, wo der Mensch auf den Weg zu ei- überlegungen nem selbständig denkenden, urteilenden und entscheidenden Ich geleitet wurde. Der Sündenfall wurde von Gott zugelaßen, damit der Mensch zur Freiheit kommen kann. Diese Tatsache beleuchtet das Thema “Gut und Böse” auf eine besondere Ar t . Der Mensch konnte seitdem wählen zwischen G u t u n d Böse, zwischen eigenen Wünschen und den Belangen der Gemeinschaft, der Gesellschaft. In den 40-er Jahren des 20. Jahrhunderts, als Psychologen in den USA versuchten, in Gruppengesprächen die Beziehungen zwischen Weißen und Schwarzen zu verbessern, wurde die Gruppendynamik bewußt entdeckt. Die Psychologen erkannten, daß unter der Oberfläche des laufenden Gesprächs eine zweite Wirklichkeit das Verhalten steuerte. Diese zweite Wirklichkeit hat ihre eigenen Gesetzmäßigkeiten, über die wir nachstehend berichten wollen. Es sind die Gesetzmäßigkeiten des träumenden Gefühls und des schlafenden Wollens. Der Entwicklungsprozeß einer Gruppe Wenn Menschen zusammenkommen, um eine Gruppe zu bilden, Individuelle sei es eine Studieng,ruppe, eine Geselligkeitsgruppe oder auch Interessen eine Lebens- oder Arbeitsgruppe, dann ist der Motor der Gruppenbildung der Wille des Einzelnen. Dieser Wille ist noch stark ichbezogen. H.J. ten Siethoff: Gruppendynanük Jeder will aus den verschiedensten Gründen mit den anderen Menschen in dieser Gruppe zusammen sein. Kein Mensch tut etwas im Leben ohne Grund, er hofft, ein bestimmtes Ziel mit seinem Willen zu erreichen oder zu verhindern. Jeder hat aber vermutlich zuerst seine eigenen Motive, seine eigenen Interessen, die egoistisch aber auch altruistisch sein können. Auch Faktoren wie Zugehörigkeitsbedürfnis, Profilierungsbedürfrüs, Sicherheit, Angst alleine zu bleiben, aber auch ein Zwang mitzumachen, können eine Rolle spielen. Weil jeder aus seinem schlafenden Unterbewußtsein aufstei- Testphasegende Gefühle erleben kann, die ihm anzeigen, daß die eigenen Verhalten Ziele und Absichten nicht unbedingt die der anderen Grupperunitglieder sein müssen, fühlt er sich unsicher. Diese Unsicherheit am Anfang jedes Gruppenprozeßes führt zum sogenannten Testphase-Verhalten mit folgenden Merkmalen: • Innere Zurückhaltung, eine etwas gespannte Atmosphäre. • Formelles Verhalten, keine Gefühle zeigen, nicht darüber sprechen. • Wenn über Gefühle gesprochen wird, sehr allgemein und abstrakt • Konflikte und Auseinandersetzungen werden vermieden. • Der Kollisionskurs ist tabu. Man bleibt höflich. Deshalb werden auch mögliche Irritationen unterdrückt. Man gibt schnell nach, ist äußerst kompromißbereit. Die Entscheidungen und Lösungen einer solchen Gruppe sind oft oberflächlich und wenig tiefgehend. Die meisten Gruppen in unserer Gesellschaft bleiben in dieser Phase stecken. Das hat Konsequenzen für die Qualität der Entscheidungen in Politik, Kultur und Wirtschaft. In dieser Phase sind die Mitglieder der Gruppe noch im unbewußten, vielleicht aber auch im bewußten Prozeß der Herstellung der sozialen “Hackordnung”. Man stuft sich gegenseitig 2 Hj. ten Siethoff: Gruppendynamik ein, damit eine erste Ordnung und damit Sicherheit im Gesamtgefüge entsteht. Bei dieser Gelegenheit sollten wir auch von der sogenannten nicht-verbalen Ausdrucksform in der Kommunikation sprechen. Etwa 80% der Kommunikation der Menschen verläuft non-verbal. Wir sprechen mit unserem Körper, in Haltung, Gestik und Mimik. Es muß geübt werden, diese Körpersprache verstehen zu lernen, denn meistens spricht sie eine deutlichere Sprache als unsere Worte. In dieser Testphase lernen sich die Teilnehmer besser kennen; sie lernen die Eigenart des anderen kennen, und es können auch gegenseitige Sympathien und Antipathien aufkommen. Man schätzt sich gegenseitig ein, mag sich oder geht sich gegenseitig auf die Nerven, oder die Gefühle bleiben neutral. In den ersten beiden Fällen wird es immer schwieriger, höflich und formell zu bleiben. Die Gruppe bewegt sich allmählich hinüber zur zweiten Phase. Wir nennen sie Phase der Auseinandersetzungen, oder die Nah- Nahkampfphase kamehase. Die wichtigsten Momente dieser Phase sind: • Bildung von Untergruppen oder Cliquen • Emotionelle Austragung unterschwelliger Konflikte • Kampf um die Führung oder völliger Rückzug • Revierverteidigtmgs •käinpfe, Rivalenkämpfe • Rangordntmgskorrektur-Kämpfe Die Sachlichkeit kann verloren gehen und Gefühle der Auswegslosigkeit können entstehen, wodurch sichtbar wird, daß neue Verhaltensformen notwendig werden. 3 Hj. ten Siethoff: Gmppendynamik Wie es in dieser Phase mit der Gruppe weitergeht, hängt sehr davon ab, wie die Gruppe mit ihrem eigenen Gruppenprozeß umgeht. Wenn sie imstande ist zu erkennen, wo sie steht, wenn sie es schafft, die bestehenden Probleme offen auszusprechen, wenn die Teilnehmer ihre Gefühle auf eine nicht destruktive Art los werden können, z.B. indem sie von sich sprechen und den eigenen Gefühlen Ausdruck geben (sogenannte Ich-Botschaften senden), anstatt die anderen zu kritisieren, dann kann eine Gruppe die Probleme überwinden und langsam in die nächste Phase hinüberwachsen. Kann sie dies nicht, dann ist die Folge meistens eine Spaltung, wobei ein Teil der Gruppe austritt und eine neue Gruppe, Partei oder Vereinigung bildet. Es ist aber auch möglich, daß ein Rückfall in die Testphase der Höflichkeit stattfindet. Sie macht jedoch meistens das effiziente und effektive Arbeiten der Gruppe fast unmöglich, weil die nicht ausgetragenen Konflikte unterschwellig doch noch da sind und ihre Wirkung haben. Sie werden in verschiedensten Manipulationsverhaltensweisen erkennbar. Für eine gesunde Weiterentwicklung der Gruppe müssen die Gruppenteilnehmer einen neuen Prozeß einleiten. Dabei muß gelernt werden, über die Gefühle zu sprechen und daraus neue Spielregeln für das Umgehen miteinander zu entwickeln. Es müssen neue Verhaltensformen entstehen, und es muß offen gelernt werden “feed-back” zu geben, Konflikte sachgemäß auszutragen, die Konfrontationen auf der Sachebene zu halten, ohne die Gefühle zu unterdrücken, d.h. aus dem Erwachsenen-Ich (Transaktionsanalyse) zu sprechen. Man muß wissen, wann auch das Eltern-Ich, oder das Kind-Ich berechtigt sein kann. Aufgrund der unterschiedlichen Fähigkeiten der Gruppenteilnehmer kann es nötig sein, in der Gruppe zu einer bewußt gewählten Arbeitsteilung zu kommen. Die Teilnehmer müssen dann lernen, miteinander zu verhandeln, anstatt gegeneinander Organisationsphase 4 Hj. ten Siethoff: Gruppendynamik 5 zu kämpfen. Gelingt es, die Gruppe in dieser Richtung weiterzuentwickeln, bewegt sie sich allmählich in die Organisationsphase: Sie wird effizient und effektiv. Das Klima wird gut, ohne daß man nur höflich zueinander ist. Die Schicksalsgemeinschaft Es gibt noch eine weitere Entwicklungsphase einer Gruppe, welche zu einer Vertiefung der Beziehungen der Gruppenteilnehmern führt. Dies betrifft sind Gruppen, in denen die Mitglieder schicksalsmäßig intensivst miteinander verbunden sind, wie z.B. in einer Ehe oder Partnerschaft, aber auch Gruppen, in welchen die Mitglieder sich aus ideellen Gründen zusammengeschloßen haben. In solchen Gemeinschaften wollen sich die Mitglieder für längere Zeit im Guten wie auch im Schlechten miteinander verbinden. Das Wesentliche dieser Verbindung ist: • Das gemeinsame Ideal, die gemeinsame Aufgabe mit ideellem Ziel. • Das Interesse am anderen Menschen, an deßen Biographie. (Wieso haben wir zueinander gefunden? Was verbindet uns hier?) • Der Wunsch, in der Gemeinschaft voneinander zu lernen, sich weiter zu entwickeln auf Grund von Begegnungen mit anderen Gruppemnitgliedern. Das sogenannte “Erwachen am Andern”. Voraussetzung dafür ist das Austauschen von biographischen Erfahrungen, das Entwickeln gemeinsamer Leitbilder und Zielsetzungen, von gemeinsamen Grundsätzen und Verhaltensspielregeln, aber auch ein Freiraum für den individuellen Verantwortungsbereich. H.J. ten Siethoff: Gmppendynamik Daß dies ein hohes Maß an Kreativität, Flexibilität, Respekt dem Teambildung andern gegenüber, Toleranz, Taktgefühl, Einsteckvermögen, Sensibilität, Positivität, Unbefangenheit, Offenheit, Ehrlichkeit, Motivation und Hilfsbereitschaft wie auch Leistungswille verlangt, mag deutlich geworden sein. Aus einer solchen Gruppe kann ein Team werden, das ohne von oben eingesetzte Hierarchie, sich selbst verwaltend, autonom funktionieren kann. Die Gruppe kann lernen, mit einer selbstgewählten Hierarchie umzugehen, Macht in Form von Mandaten an die eigenen Mitglieder abzugeben, als Arbeitsteilung in der Führung. Es müssen dabei nur folgende Kriterien eingehalten werden: • Mandate werden nur für beschränkte Zeit abgegeben, Wiederwahl ist nur maximal drei Mal möglich. • Das “Pflichtenheft” des Mandatträgers wird von ihm vorbereitet und mit der Gemeinschaft ausgehandelt. • Das “Zusatzeinkommen” für die Aufgabe des Mandatträgers muß bei “Nicht-Wiederwahl” wieder abgegeben werden. Wer mehr Fähigkeiten besitzt, kann für die Gemeinschaft mehr leisten und damit “seines Bruders Hüter sein”. Ob dafür als Gegenleistung auch ein höheres Einkommen gerecht ist, kann nur von den Mitgliedern dieser Gemeinschaft beurteilt werden. Eine Leistung zu erbringen, ist eine soziale Tat. Ein bestimmtes Einkommen für sich zu beanspruchen, ist etwas Egoistisches. Inwieweit Egoismus und soziales Verhalten der Gruppennütglieder in Balance stehen, kann nur von den Menschen in der betreffenden Gemeinschaft entschieden werden. Dafür gibt es keine allgemein gültige Regeln, außer der Regel, daß so viel Gleichberechtigung in einer Gemeinschaft da sein soll, daß über diese Fragen von Einkommen und Leistung, offen und ehrlich gesprochen werden kann und zwar von allen. 6 H.J. ten Siethoff: Gruppendynamik Der Einfluß der Gruppengröße Die Gruppengröße und die Anzahl der Teilnehmer haben einen Einfluß auf das Verhalten der Gruppe. Die Anzahl der Kornmunikationsverbindungen in der Gruppe vervielfältigt sich mit der Formel n x (n-1). D I . bei 4 Gruppemnitgliedern gibt es 4 x 3 1 2 Kommunikationsverbindungen zu versorgen. Bei 5 schon 20, bei 6, 30 usw. Je mehr Personen, umso komplexer die Verbindungen. Dies bedeutet, daß der Einzelne mehr aufwenden muß, um den Überblick in der Gruppe zu behalten. Daraus ist erklärbar, daß Teilnehmer in einer großen Gruppe verunsichert werden können und sich zurückziehen, nicht mehr sprechen, während sie in einer kleinen Gruppe normal funktionieren könnten. Je größer die Gruppe, desto mehr Mut braucht es, um sich zu öffnen und selbst zu überwinden. Wichtig ist auch zu wissen, wie groß das Interesse am Gruppenprozeß oder der Gruppenarbeit bei den Teilnehmern ist. Ohne Interesse oder Motivation gibt es keinen Einsatz und keinen Leistungswillen. Die folgende Faustregel gilt für die Gruppengröße: Eine Arbeits- Faustregel oder Projektgruppe, die entscheiden muß, darf höchstens 3 bis 7 Personen undaßen. Für eine Diskussionsgruppe, in der es nur um Meinungs- oder Urteilsbildung geht, aber keine Entscheide getroffen werden, ist die ideale Gruppengröße 7 bis 12 Personen (max. 20 Personen). Wenn die Gruppe nur zum Informationsaustausch zusammengerufen wird, eine sogenannte Informationsgruppe ist, dann sind es hauptsächlich praktische Kriterien, die entscheiden, wie groß die Gruppe sein darf, z.B. die Raumgröße. Die Grenzen einer Gruppe Jede Gruppe braucht eine “Haut”, eine Abgrenzung nach außen. Gruppenkultur Die Abgrenzung kann bestehen aus etwas Greifbarem, wie z.B. einem bestimmten Raum, einem bestimmten Gebiet oder Gebäude, aber auch aus weniger greifbaren Sachen, wie bestimmte 7 H.J. ten Siethoff: Gruppendynamik eigene Arbeitsweisen, Werte, Verhaltensspielregeln (bei uns wird das so gemacht). Auch bestimmte Verhaltensweisem, eigene Wertsysteme, Einweihungsriten, eigene Zielsetzungen und Intentionen grenzen die Gruppe von ihrer Umwelt ab. Wir kommen hier in das Gebiet der Gruppen- resp. Unternehmenskultur. Die Folge ist das sogenannte “In-Group - Out-Group” Phänomen. Dieses wird erlebt im “Wir-Gefühl” und “Ihr-Gefühl”. Viele Konflikte zwischen Abteilungen in Organisationen haben ihre Ursache in diesem Phänomen. Bei Konfliktlösungen zwischen Gruppen ist es wichtig, sich dies bewußt zu machen und für einander als Gruppe ein Verständnis zu entwickeln, ohne zu erwarten, daß alle Gruppen ähnlich oder gleich werden. “Leben in der Liebe zum Handeln und leben laßen im Verständnis des fremden Wollens ist die Grundmaxime des freien Menschen.” (Rudolf Steiner, Philosophie der Freiheit, XII. Kapitel) Wenn eine Gemeinschaft aus mehreren Gruppen (Untergruppen) besteht, muß man akzeptieren, daß jede Gruppe ihre eigene Identität entwickelt. Diese Identität hängt mit den dazugehörigen Menschen, ihrem Aufgabengebiet usw. zusammen. Dies ist berechtigt und sollte nicht zu Feindseligkeiten wegen des “Andersseins” führen. Dieses Anderssein ist, wenn man es akzeptieren kann, eine Bereicherung. Nur viele Farben machen den ganzen Regenbogen. Nur darf diese Gruppen-Identität nicht soweit gehen, daß Uneinigkeit über die langfristigen Ziele und Grundsätze der Gesamt-Organisation und über die Zusammenarbeit entsteht, sonst droht die Organisation zu zersplittern. 8 H.J. ten Siethaff: Gruppendynamik Die Führung in der Gruppe Ein Hauptgesetz der Führung ist, d a sie nur richtig funktioniert, wenn sie von den Grupperunitgliedem anerkannt wird. Diese Anerkennung kann systembedingt sein, d.h. formal oder durch die Tradition. Der Chef ist halt der Chef, weil er der Chef ist. Sie kann aber auch personenbedingt sein, cl.h. der Chef wird akzeptiert, weil er als Person und Mensch anerkannt wird. Der Grund kann in seinen geistigen, praktischen, menschlichen oder sozialen Fähigkeiten liegen. Einen klaren Kopf haben, Einfühlungsvermögen im Zwischenmenschlichen, Mut und Durchhaltekraft sind solche Eigenschaften, die Mitarbeiter vom Vorgesetzten erwarten. Im Normalfall werden heute die Vorgesetzten von oben nach unten eingesetzt. Auch i n Projektgruppen ist es meistens die Leitung der Organisation, die entscheidet, wer Projektleiter wird. Eine Alternative wäre, den Projektleiter oder den Vorgesetzten überhaupt aus der Gruppe und von den Gruppenmitgliedern selber wählen zu laßen. Die wichtigsten Kriterien wären dann: • Seine Fähigkeiten für die ihm zugedachten Aufgaben, • seine Glaubwürdigkeit für die Mitarbeiter und die Organisation, • das Vertrauen, das ihm entgegengebracht werden kann. Es ist nicht immer der von oben bestimmte Vorgesetzte auch der geeignetste. An einem negativen Beispiel wird oft deutlich, wie man es nicht machen sollte. Wir finden dazu noch viele Beispiele aus den kurz hinter uns liegenden Ereignißen im Herbst 1989 in Ost-Europa. 9 HJ. ten Siethoff: Gruppendynamik Die Spielregeln für den Diktator Motiviere die Menschen mit verlockenden Versprechungen, welche auf die niederen Triebe und Bedürfniße ausgerichtet sind, wie z.B. Geld, Reichtum, Privilegien, ein gutes Leben, Sicherheit, das Heil nach dem Tode usw. Informiere nicht, schlecht oder widersprüchlich. Dadurch werden Menschen verunsichert und hören auf, sachlich zu denken. Angst erzeugt eine Bewußtseinsverengung und das Beharren in Gewohnheiten. Zeige den Menschen, daß du der starke Mann bist, welchen sie in ihrer unsicheren Situation brauchen. Bezichtige einen Feind außerhalb der Gemeinschaft und erzeuge auf diese Weise eine Scheinsicherheit. Gebrauche die Drohung und die Unterstützung eines ausgewählten, kleinen, privilegierten Kreises von Mitarbeitern, um der Maße Angst zu machen und sie im Griff zu halten. Verhindere echte Gruppenbildung. Eine Gruppe ist eine Gegen- Macht. Rede nur mit jedem einzeln oder sprich mit emotioneller Begeisterung zum ganzen Volke. Nutze die “Stimmung”. In Einzelgesprächen soll jeder etwas anderes zu hören bekommen, wodurch gegenseitiges Mißtrauen gesät wird. Auch wird dadurch eine einheitliche Meinungsbildung unmöglich. Schiebe “lästige” Mitarbeiter beiseite. Entledige Dich Ihrer. Für die Entwicklung eines echten Teams muß genau das Gegenteil getan werden. 1 0 H.J. ten Siethoff: Gnzppendynamik Individualität und Gemeinschaft Im Osten, in Asien, z.B. Japan ist die Gruppe, d.h. die Gemeinschaft wichtiger als das Individuum, der Arbeitgeber (die Organisation) wichtiger als die Familie, der Staat wichtiger als der Arbeitgeber. Im Westen ist es umgekehrt. Alles ist auf den individuellen Menschen ausgerichtet. In Europa haben wir den Rechtsstaat - auf der Grundlage des römischen Rechts -, der uns die Spielregeln für das soziale Verhalten gibt. Diese Regeln besagen, daß die Rechte des individuellen Menschen und der Gemeinschaft im Gleichgewicht gehalten werden müssen. Das römische Recht ist mehr auf die private Seite, das alte gerrnanische Recht mehr auf die Gemeinschaftsseite ausgerichtet. In Europa ist es für die Gruppenbildung wichtig, daß die Gruppenmitglieder selber entscheiden können, nach welchen Spielregeln sie zusammenarbeiten und zusammenleben wollen. Die Gruppe muß versuchen, einen Konsens zu erreichen über Freiräume, die sie bereit ist, dem einzelnen einzuräumen. Es muß auch besprochen werden, wie man sich verhalten will, wenn jemand sich nicht an diese Spielregeln hält. Vorsicht ist hier geboten. Gruppendruck kann den einzelnen unfrei machen. Das interne Gleichgewicht und die Gleichberechtigung innerhalb der Gruppe zu wahren, ist eine der wichtigsten Aufgaben der Grupperunitglieder. Das Bedürfnis nach Freiraum und Autonomie Ein wichtiger Konfliktgrund kann im Fehlen eines angemessenen Freiraumes liegen. Wer zu wenig Autonomie hat, kann dadurch mit der Gruppe in Konflikt geraten, aber absoluter Freiraum zersprengt die Gruppe. Das Individuum kann nur so viel Freiraum bekommen, wie ihm die Gruppe zugesteht. Die Entscheidung, ob ihm das paßt oder nicht, liegt dann beim einzelnen. 1 1 H.J. ten Siethoff: Gruppendynamik 1 2 Das Anerkermungsbedürfnis Innerhalb einer Gruppe entsteht immer eine Art sozialer Hierar- Soziale Hierarchie chie, in der Tierpsychologie “Hackordnung” genannt. Die Kriterien sind oft diffus, unbewußt und nicht für alle gleich. Durch Abzeichen und äußere Merkmale versucht man oft, diese soziale Hierarchie sichtbar zu machen, so z.B. beim Militär, bei Post, Bahn, Fluggesellschaften usw. Die unterschiedlichen Einschätzungen der einzelnen Grupperunitglieder in dieser sozialen Hierarchie kann zu Konflikten führen, indem z.B. jemand sich selber höher einstuft, als er/sie von den andern Gruppenmitgliedern eingestuft wird. Das kann zu Aggressionen, konfliktförderndem Verhalten und zur Positionsverteidigung führen. Die Gruppenziele Die Gruppenziele geben dem Gruppenhandeln die Richtung. Hat die Gruppe keine gemeinsamen Ziele oder sind diese unklar, dann hat jeder einzelne seine eigenen Ziele, was zu Zielkonflikten führen kann. Das Ziel kann außerhalb der Gruppe liegen, in einer Dienstleistung, einer Aufgabenerfüllung für andere oder mehr in der Gruppe selbst, z.B. in der Pflege von Schutzmaßnahmen gegen sogenannte störende Einflüße von außen. Im letzten Fall sind die Konflikte vorprogrammiert, denn wenn man sich vor den wirklichen oder vermeintlich vorkommenden Konflikten mit anderen Gruppen zu schützen versucht, werden gruppeninterne Probleme durch den sogenannten “Feind” von außen überschattet, was auf längere Frist die Gruppe nur schwächt. Es gibt nur ein wichtiges gruppeninternes Ziel: die Gewährleistung des inneren Gleichgewichts durch die Abstimmung über H.J. ten Siethoff: Gruppendynamik die Spielregeln und die Einhaltung dieser Spielregeln. Diese können sich auf die Art und Weise beziehen, wie man Forschung und Entwicklung betreibt, auf Freiräume, die man sich gegenseitig geben will, auf finanzielle Fragen, welche alle angehen, oder die Zusammenarbeit usw. Rollenkonflikte in der Gruppe Diese sind keine Seltenheit. Sie entstehen durch Unklarheiten über die Rollen-, Aufgaben- und Kompetenzverteilung in der Gruppe. Die Beziehungen in der Gruppe Diese stützen sich grundsätzlich auf drei Kriterien: 1. Menschliche Fähigkeiten im fachlichen, praktischen oder zwischenmenschlichen Bereich. 2. Auf Anerkennung und Vertrauen, das einem entgegengebracht wird. 3. Auf die Glaubwürdigkeit einer Person, in den Augen anderer. Beziehungskonflikte finden ihren Ursprung meistens in einem dieser drei Kriterien. Für den Vorgesetzten gilt noch, daß er auf unnötige Machtausübung verzichtet. 13 Hj. ten Siethoff: Gmppendynamik Schlußaspekte Einige zusätzliche Fragen, die bei der Suche nach möglichen Ursachen von Konflikten in Gruppen wichtig sind: • Wie kommen in der Gruppe Entscheidungen zustande? • Wer kann wo, wie und wann mitmachen? • Wie ist das Bewußtsein für das “Klima” in der Gruppe und wie wird es gepflegt? • Wie groß ist die gegenseitige Bereitschaft zur Hilfeleistung? Gruppendynamik ist ein sehr vielseitiges Thema. Diese Überlegungen konnten nur einen Teil der Aspekte ansprechen. Ich hoffe aber doch, daß er für die Beurteilung der am häufigsten vorkommenden Konflikte in Gruppen und zwischen Gruppen Hilfestellung bieten kann. GRUPDYNADOC 14

gruppendynamik.txt · Last modified: 2018/10/03 06:09 (external edit)